Riga, Ev. Dom zu St. Marien und ehem. Kloster des Domkapitels (ehem. kath. Kathedrale)

Rīga, Sv. Marijas jeb Doma baznīca un klosteris (bij. katedrāle)
Größter und am besten erh. mittelalterl. Sakralbau mit Kloster im gesamten Baltikum. Der monumentale Backsteinbau mit umfangreicher Bauplastik prägend für den zeitgenöss. Sakralbau der Region. Eindrückl. Beispiel einer eigenen Adaption verschiedener westl. Einflüsse, mit typ. Merkmalen der Raumgestaltung der Spätromanik und späterer Stile. Erb. als Domkirche des ersten Bischofs von Rīga und seines prämonstratens. Domkapitels nach Verlegung des Bistumssitzes aus Ikšķile / Uexküll nach Rīga 1201. Heute Kathedrale des ev.-luth. Erzbischofs von Lettland, Kreuzgang Teil des Museums für Geschichte und Schifffahrt (Rīgas vēstures un kuģniecības muzejs).
Baugeschichte
Grundsteinlegung 1211 durch Bischof Albert v. Buxhöveden, bald danach Altarchor und Querschiff erbaut. Langhaus als Halle und Klosteranlage in der 2. Hälfte des 13. Jh. fertiggestellt; Turmbau (?), erste Kapellen Anf. des 14. Jh. Basilikale Erhöhung des Langhauses Anf. des 15. Jh., Anbau weiterer Kapellen. Umbau der Turmspitze 1594/95, 1666, 1684, 1776 die bis heute erh. barocke Haube auf Säulengalerie (Zimmermeister Johann Heinrich Kramer; O-Giebel mit barockem Umriss 1727, Haubendach für Chor und Apsiden. Ausmalung des Doms ab 1681 durch Cordt Meyer (ca.1638–1703). Fußbodenniveau nach Verbot der Bestattung in Sakralbauten im 18. Jh. mehrfach erhöht. 1778 Umbau und Nutzung des Obergeschosses O-Kreuzgangflügel als Stadtbibliothek (Stadtbaumeister Christoph Haberland. Ende 18. Jh. Räumung von Dutzenden besitzloser Epitaphien und Grabsteinen, weißer Anstrich des Interieurs mit Übermalung früherer Ausmalung; Restaurierungen: 1814–20 Instandsetzung nach zweijähriger Nutzung der Kirche als Kornspeicher; um 1860 Freilegung des Dombaus von späteren, profanen Anbauten wie Lager- und Verkaufsräumen, mit anschließender Erneuerung der stadtzugewandten N- und W-Fassade mit Verlängerung der Fenster, neogot. Umgestaltung der N-Vorhalle, Einbau des W-Portals als neuem Haupteingang (Stadtarch. Johann Daniel Felsko; 1887–1906 umfassende Wiederherstellung des Domensembles: u.a. Erneuerung der S-Fassade der Kirche, Einrichtung einer Eingangshalle im Turmjoch, Ausbau des Obergeschosses im S- und W-Kreuzgangflügel zum Museum (1891 eröffnet), Neubau der N-Vorhalle (Arch. Karl Neuburger, Wilhelm Bockslaff, August Reinberg, Wilhelm von Stryk, Karl Mohrmann, Wilhelm Neumann). 1991 Rückgabe an die ev.-luth. Kirche Lettlands. 1959–62 Umgestaltung zum Konzertsaal; 1981–84 Kircheninneres weiß verputzt, Gliederungselemente teils bemalt (Arch. Juris Galviņš; 2010– 12 Rekonstruktion der Fassadenfassung des späten 19. Jh. (Arch. Artūrs Lapiņš, Ilmārs Dirveiks; Turm und Turmkapellen 2014/15 (Arch. Juris Poga. Maßnahmen der Bauuntersuchung und Restaurierung bis heute. Dreischiffige, fünfjochige Basilika mit Rechteckchor und drei Apsiden, Querschiff im O und ähnl. Querriegel mit Turm und Seitenkapellen im W. Auf der S-Seite Klosteranlage mit Sakristei und dreiflügeligem Kreuzgang. Der Bau durch angewachsenes Terrain deutl. tiefer als heutiges Straßenniveau gelegen. Von O in Dolomit begonnen, etwas oberhalb des Sockels in Backstein weitergeführt, Ecken der östl. Bauteile bis in die halbe Höhe mit Dolomitquadern akzentuiert. Backsteinfassaden mit hell verputzten Blenden und Friesen abwechslungsreich gestaltet, Hauptfront an der N-Seite. Profilierte Rundbogenfenster an Chor und Apsiden, diese zudem mit Rundbogenfries und schlanken Säulchen mit Kapitellen gegliedert. Am N-Querarm Kreuzbogenfries und Ährenwerk (opus spicatum) sowie stilisierte roman. Stufenarkatur im Giebel. Große Spitzbogenfenster und -fries an Langhausfassaden, darüber Obergaden mit Lisenen und Rosetten im Wechsel mit Maßwerkblenden, bekrönt von Dreipassfries. N-Vorhalle mit Pultdach, dreiteilige Fassadengliederung mit Spitzbogenöffnungen. Von ihr verdeckt der urspr. Haupteingang, ein reich geschmücktes Stufenportal aus Stein. Im Bogenfeld darüber einzige figürl. und gut erh. mittelalterl. Wandmalerei in Lettland: Krönung Mariens (1360–80), 1891 wiederentdeckt, 2009/10 freigelegt. Neben der Vorhalle die Brautkapelle mit eigenem Giebel. Dieser wie alle weiteren Giebel im W und S des Baus mit Blenden und Maßwerk unterschiedl. geschmückt. Der fünfgeschossige Turm von unten nach oben zunehmend mit Blenden, Öffnungen und Friesen gegliedert. Große Spitzbogenfenster auch an Seitenkapellen. An der W-Fassade zentral kleineres Rundfenster, darunter Spitzbogenportal.
Im Turmjoch geräumige Jugendstil-Eingangshalle mit Treppen (1906) zum Kirchenraum und zur Orgel, seitl. Öffnungen zu Turmkapellen in voller Höhe, vermittelt über kleine Verbindungsräume mit Kreuz- und Sterngewölben. Das weiträumige Langhaus durch kräftige, im Querschnitt kreuzförmige Pfeiler, breite Spitzbogenarkaden und Kreuzrippengewölbe auf abgekragten Diensten mit steinernen Kapitellen und Basen bestimmt, in den Querarmen achtteilige Gewölbe ohne Dienste. Schlanke Backsteinbündelpfeiler dagegen an der Hochwand im Mittelschiff, den Höhenzug verdeutlichend. Unterer Bereich der Pfeiler von Holzpaneelen verdeckt. Turm- sowie Seitenkapellen in voller Höhe zum Langhaus hin geöffnet, mit Kreuzrippen- und Sterngewölbe. Rundbogenfenster in den Apsiden profiliert genauso wie am Außenbau. Über dem Triumphbogen großes Rundfenster (19. Jh.). Durchgang zum Kreuzgang im S-Querarm durch Windfang in Ädikula-Form mit illusionist. Trompe-l`Œil-Malereien (C. Meyer) geschmückt. Im W-Joch des Mittelschiffs weit hervorkragende Empore mit Orgelprospekt von 1601 (1594–1601, Jakob Rab, Lübeck ) mit Ornamentergänzungen des 17. Jh. und 1773–76 durch Heinrich Andreas Contius, Halle. — Ehem. reiche Innenausstattung während des Bildersturms 1523/24 geplündert und im späten 18. Jh. „bereinigt“. Neogot. Altarretabel (1896, W. Neumann) auf Fundamenten der ursprüngl. Mensa; in der Kapelle St. Maria ehem. Hauptaltar mit Gemälde Verklärung Christi nach Raffael (1820, Ernst Gotthilf Bosse in Ädikula-Rahmung (1896, W. Neumann) und Skulpturen (1817, Peter Joseph Imhoff; schlichtes nachreformator. Chorgestühl aus Holz (um 1570–80) mit dem Langhaus zugewandten Flachreliefs Maria Magdalena und Sündenfall; im S-Querhaus Sänger- bzw. Schülerempore aus Holz auf schlanken Stützen und Gliederung durch Pilasterpaare (spätes 17. Jh.), dazwischen Gemälde der Ev., Johannes Bapt., Salvator mundi (1689/90, C. Meyer) und zentrales Flachrelief der Allegorie der Musik (16. Jh.); im S-Schiff das prächtige Schwarzhäuptergestühl (um 1693, Dietrich Walter, Stockholm); Kanzel _Tobias Heintz_, 1641, gestiftet vom Rigaer Ratsherr Ludwig Hintelmann (1578–1643) und seiner Frau Katharina Lemcken (†1666), 1817 mit neogot. Elementen (Kusmin Shelesnikow und posaunender Engelsfigur auf dem Schalldeckel (P.J. Imhoff) ergänzt; 1884–1906 Glasmalereien im Chor, Quer- (Motive aus dem AT und NT, Stifterwappen) und Langhaus (Motive aus der Geschichte Rīgas) nach Entw. von Anton Dietrich und ausgeführt von Werkstätten in Dresden (Werkstatt Bruno Urban),München (Königl. Bayer. Hofanstalt und Rīga (Ernst Friedrich Tode), die Glasmalereien im S-Schiff im Zweiten Weltkrieg (1944) zerstört, in den 1960er Jahren neue eingesetzt. Älteste Grabplatten aus dem frühen 15. Jh., im nördl. Seitenschiff die Grabplatte des letzten Rigaer Erzbischofs Wilhelm von Brandenburg (†1563); Wandgrab des ersten livländ. Bischofs Meinhard (†1196) in der nördl. Chorwand im 19. Jh. nach Zeichnungen von Johann Christoph Brotze erneuert. Künstler. bedeutend das mehrgeschossige, architekton. gerahmte und reich mit Rollwerk geschmückte Tiesenhausen-Epitaph (um 1611) von Berendt Boddecker, Lübeck; von ihm auch das Epitaph der Kleinen oder Johannis-Gilde von 1604; wenige Wappenepitaphien aus Holz an den Pfeilern erhalten: Riegemann (1605), Wiecken (1657), v. Mengden (1681, um 1688, um 1735), Wappen der Schwarzhäupter mit Figuren und üppigen Akanthusschnitzereien (1693, D. Walter), v. Graf (um 1735), Dietrich Christian (1735), v. Benkendorff (um 1751), v. Krüger (um 1753, 1759), v. Dreyling (um 1766), Dreilingen (1766), Hinrich (1746), Nikolaus v. Himsel (1764), Arzt und Begründer der Sammlungen u.a. des späteren Rigaer Dommuseums. Damals weltgrößte Orgel von E. F. Walker & Comp. aus Ludwigsburg b. Stuttgart (1883) mit 6883 Pfeifen. Kreuzgang. Dreiflügelige, zwei(einhalb)geschossige Anlage mit 26 Jochen aus Backstein. Vom S-Seitenschiff der Kirche kommend Zutritt über ein gestuftes Rundbogenportal aus Stein. Im Erdgeschoss Kreuzrippengewölbe auf Steinkonsolen. Fassade mit breiten, dreiteiligen Spitzbogenarkaden mit Steinsäulen und Kapitellen, großteils Ende 19. Jh. wiederhergestellt. Gewölbe weiß verputzt, Rippen bemalt. Heller Wandputz nur fragmentar. erhalten. Auf der Innenseite der Arkaden, im Bogenfeld, Wappenreliefs der Stifter für Wiederherstellungsarbeiten 1894 angebracht. Obergeschosse mit Mezzanin unterschiedl. gestaltet. Über dem O-Flügel gelb verputzte klassizist. Fassade mit Rechteckfenstern, weißem Putzdekor aus kolossalen Pilastern und Fensterschürzen (1778, Chr. Haberland), die letzten sechs Achsen später von W. Neumann ergänzt. Die neobarocke straßenseitige Fassade (Jauniela / Neustr.) mit Bandrustika, gesprengten Verdachungen und verkröpftem Giebel ebenfalls von ihm gestaltet (1898). Die hofseitigen Fassaden des S- und W-Flügels mit Rundbogenfenstern, Lisenen und einer bekrönenden Rundbogenarkade an die Formensprache des mittelalterl. Ensembles angepasst (1891–94, K. Mohrmann. Neogot. Brunnenhaus am S-Flügel auf rechteckigem Grundriss mit Satteldach, Arkadenöffnungen und Rundbogenfries. Ursprüngl. Raumaufteilung im Erdgeschoss des O-Flügels erhalten. Im Obergeschoss des O-Flügels klassizist. Saal mit korinth. Kolonnade, umlaufender Galerie und Wandschränken für Bücher (1778, Chr. Haberland).
Kapitelsaal. Zweischiffiger, sechsjochiger Raum im O-Flügel des Kreuzgangs. Fassade zum Kreuzgang dreiteilig (Teile im 19. Jh. rekonstruiert), Spitzbogenportal mit Trumeau zwischen großen zweiteiligen Spitzbogenfenstern. In der gegenüberliegenden Wand (O) zentral ein großes, urspr. Rundfenster in profiliertem Rahmen, seitl. je ein Rundbogenfenster (später vergrößert). Innen mit Kreuzrippengewölben auf zwei vierpassförmigen steinernen Bündelpfeilern mit Pflanzen- und Knospenkapitellen sowie ähnl. geschmückten Wandkonsolen. Wände und Gewölbe aus Backstein, weiß verputzt, Rippen und Fensterprofile backsteinsichtig oder bemalt. Bunte Fußbodenfliesen zum Teil wohl 2. Hälfte 15. Jh. (grün, gelb). — Hauptaltar (19. Jh.?) auf Fundamenten des Altars des 15. Jh.; Kamin in der S-Wand nachträgl.; Glasmalereien frühes 20. Jh. Heute von der Deutschen ev.-luth. Gemeinde in Lettland genutzt.

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